Die Königsetappe
3000 Höhenmeter stehen auf dem Programm. Mit Luz Ardiden und Col du Tourmalet sind gleich zwei Anstiege der höchsten Kategorie dabei, die regelmäßig im Programm der Tour de France zu finden sind. Beide beginnen in Luz-Saint-Sauveur nördlich von Lourdes. Bis dahin kann ich mich warm fahren über eine herrliche alte Bahntrasse, die mitten durch das Tal führt. Ab der Luz-Schlucht geht es stetig bergauf. Im quirligen Luz-Saint-Sauveur ist nach gut 50 Kilometern Zeit für einen Kaffee.
Luz Ardiden, der „Berg der Spanier“ ist mit 31 Kehren ein echter Leckerbissen für Radfahrer. Dank der geschlossenen Skistation auf 1720 Metern verirrt sich im Gegensatz zu den benachbarten Pässen kaum ein Auto auf den Berg. Ein wahrer Genuss, den nicht nur ich gerne auskoste. Vor mir tauchen vereinzelt Radfahrer auf, von denen einer fast mein Tempo fährt. Ich arbeite mich mühselig bis auf 20 Meter ran. Frustriert muss ich feststellen, dass er dann leicht zulegt. Oder ich werde langsamer. Jedenfalls erreicht er am Ende Luz Ardiden zwei Minuten vor mir. Der Blick von oben auf die gewundene Straße ist überragend. Lance Armstrong verfing sich 2003 in diesem Anstieg in einer Tragetasche eines Zuschauers und stürzte zusammen mit dem Spanier Iban Mayo. Jan Ullrich nutzte die Situation nicht aus und wartete auf seinen Kontrahenten. Am Ende gewann Armstrong die Etappe, die ihm später wegen Dopings ebenso wie der Toursieg aberkannt wurde. Radsportgrößen wie Delgado, Indurain oder Pogacar reihen sich seit 1985 in die Siegerliste ein. Auch mir passiert ein Missgeschick während des Anstiegs. Mir rutscht die Trinkflasche aus der Hand. Sie wieder einzusammeln kostet etwas Zeit.
Der härtere Brocken folgt aber nun mit dem Tourmalet. Zweimal bin ich ihn in den zurückliegenden Tagen von der anderen Seite raufgefahren. Heute stehen knapp 19 Kilometer Anstieg auf dem Programm. Eine Gruppe Belgier überhole ich ziemlich früh. An mein Hinterrad klemmt sich kurz danach ein Franzose, der mir etwas übereifrig erscheint. Mal schauen, wie lange er mit seinem Leihrad mithält. Er fährt ohne Getränkeflaschen und in T-Shirt und Turnhose. Wenigstens hat er einen Helm auf. Er entpuppt sich aber als echter Kämpfer und ist zeitweilig sogar 100 Meter vor mir. Wir motivieren uns gegenseitig. Auf den letzten fünf Kilometern muss er dann aber doch abreißen lassen. Keine Verpflegung mitgenommen zu haben, wird ihm schließlich zum Verhängnis. Ich warte auf der Passhöhe knapp 10 Minuten mit einem kalten Mineralwasser auf ihn, ehe sich die Wege anschließend trennen. Er fährt zurück und für mich geht es weiter nach Bagnères-de-Bigorre. Fast 40 Kilometer Abfahrt bis ins Ziel stehen als Belohnung für die Strapazen an. Im Lieblingscafé im Ortskern warten schon Kaltgetränke, um auf die absolvierte Königsetappe anzustoßen. Was für eine mit Highlights gespickte Tour!