Um genau zu sein, geht es um die Vollrather Höhe, liebevoll unter Rennradfahrern „Die Halde“ genannt. Radsport-Mekka des topfebenen Niederrheins.
Kaum ein Tag, an dem man hier nicht anderen Sportlern begegnet. Mit etwas Glück kann man sogar Rick Zabel, Nils Politt oder André Greipel beim Training antreffen. Wie lange wird es noch dauern, bis die Tour de France auf den Giganten des Braunkohle-Reviers aufmerksam wird? Grevenbroich als „Grand Depart.“ Bergzeitfahren am Allrath‘s Rock. Ich bekomme Gänsehaut, während ich in Gedanken als Leibhaftiger verkleidet mit Teufelsgabel Julian Alaphilippe auf den letzten Metern die verbliebenen Körner aus den Muskeln brülle.
Verschwitzt werde ich wach. Was für ein Traum. So real. Aber Grevenbroich ist eben nicht Kopenhagen oder Düsseldorf und so schlüpfe ich, wie jeden Sonntag im Winter, in meine Radsportklamotten und mache mich über kahle Äcker auf den Weg zur Abraumhalde.
Seit die Stadt Grevenbroich vor kurzem in eine neue Holzbank, dekorative Gesteinsbrocken, einen modernen Mülleimer und ein Wegekreuz investiert hat, nehme ich auch neuerdings bei jeder Fahrt eine kleine Kerze mit. Denn Beten ist durchaus angebracht, wenn ich mir die Abfahrt auf der Rückseite der Halde bei Neuenhausen und Gustorf anschaue. Da heben die Wurzeln den Asphalt an etlichen Stellen derart bedrohlich an, dass mein Navigationsgerät am Ende jeder Abfahrt einen weiteren Meter Höhenzunahme anzeigt.
Gerade jetzt im Herbst sind die „Sprungschanzen“ wegen des ganzen Laubs überhaupt nicht mehr zu sehen. Gut, dass die meisten Radfahrer hier Wiederholungstäter sind und sich jede Bodenwelle der Vollrather Höhe mit Distanzangabe auf den Unterarm tätowiert haben.
Wenn doch nur die Tour de France zu Gast sein könnte. In Gedanken schwebe ich auf der von Rennradfahrern meist befahrene Straße weit und breit über feinsten französischen Teer, der die umliegenden Stadtteile in neuer Blühte erstrahlen lässt. Vielleicht käme dann auch eine Bankfiliale zurück nach Allrath. Ich träume erneut und sollte mich lieber wieder auf die Tätowierung auf meinem Unterarm konzentrieren. Der nächste Straßenschaden naht.
Liebe Stadt Grevenbroich. Wenn Sie die Schilder, die vor dem nicht verschmutzten Radweg in Barrenstein warnen (*SoA berichtete), wieder einsammeln: Bis Allrath sind es Luftlinie nur 2 Kilometer. Einfach eine noch längere Stange montieren und um ein paar weitere Hinweise ergänzen. Wie wäre es mit „Wurzeln allen Übels“ oder „Gefährlichste Abfahrt Deutschlands“ plus Geschwindigkeitsbeschränkung 10 km/h drunter. Das wäre ein absolutes Alleinstellungsmerkmal. Ein Schilderwald der Superlative. Ein Hotspot für Rennrad-Influencer. Mekka, Lourdes und Santiago de Compostela in einem.
Die Schilder „Hotel-Route“ im Zentrum Grevenbroichs bekämen eine ganz neue Wertigkeit. Wen interessiert noch Braunkohle? Der Radsport ist das neue Grubengold. Es muss ja nicht gleich die Tour de France sein. Es gibt ja auch die an Popularität gewinnende Deutschland-Tour.
Eine Antwort auf „Das ist doch die Höhe !!!“
Ich liege hier auf dem Sofa und kringel mich! Ein feiner Text!
Dann muss ich wohl auch wieder zur Halde … bevor demnächst die ganzen Tour de France Hipster Schlange stehen.
Sonst winke ich denen eben zu während meine Epo-Pause auf der neuen Bank.