Auf der Suche nach dem Rennrad für die ganze Familie

Was macht man, wenn man den Rest der Familie dazu bringen möchte, den Sport, den man selbst so gerne macht, auch mal auszuprobieren? Klar, ein Rad besorgen und fahren. Und genau das war mein Plan.

Es musste also ein passendes Rennrad her. Was sind aber die Ansprüche an ein Rad, das es im Optimalfall schaffen soll, Frau und Kids für den Radsport zu begeistern?

Das richtige Rad finden

Da ich die Erfolgschancen meines Vorhabens nicht wirklich einschätzen konnte, war klar, es sollte in erster Linie günstig sein. Welche Möglichkeiten gibt es also? Günstiges Budget Rennrad? Einen alten Stahlrenner? Klar war lediglich, etwas Gebrauchtes soll her.

Nach reiflicher Überlegung habe ich den 20 Jahre alten Stahlrenner mit damaliger Top-Ausstattung ausgeschlossen. Der ein oder andere Rad-Enthusiast wird nun die Hände über dem Kopf zusammenschlagen und fragen wollen, „Warum tust du das???“. Mein Gedanke war eigentlich simpel. Das Rad muss – zumindest aus Sicht der Kids – besonders optisch etwas hermachen. Es muss also eher wie ein modernes Rennrad aussehen. Kein Kind (im pubertären Alter) setzt sich in aller Öffentlichkeit auf Papas altes Peugeot Stahlrennrad. 

Mit diesen Gedanken sondierte ich den Markt. Die einschlägigen Kleinanzeigenportale wurden gewälzt, bis ich jede Anzeige anhand des Vorschaubilds runterbeten konnte. Hätte ich das ganze ein halbes Jahr eher gemacht, wäre es etwas für die Jubiläumsausgabe von „Wetten dass???“ gewesen. Auf der anderen Seite hätte ich dann dem ein oder anderen vielleicht die Möglichkeit genommen, die lieblich klingenden Töne einer Klobürste, die versucht in einer Kloschüssel Lady Gaga zu interpretieren, zu hören. Unvorstellbar…

Zurück zum Fahrrad. Nach weiteren 1,76 Millionen Kleinanzeigen hatte ich dann einen potentiellen Treffer: Ein 4 Jahre altes B’TWIN Triban 500. 

B’TWIN sagte mir was, dabei handelt es sich um die Hausmarke des Sportartikelriesen Decathlon. Ich hatte sogar mal gehört “die Sachen sollen gar nicht so schlecht sein”. Optisch sah das Ganze auf den Bildern immerhin ganz ansprechend aus.

Ein wenig Recherche brachte mich zu einem vielversprechenden Testbericht im Tour-Magazin. Es gab also keine Argumente dagegen. Die Größe des Renners in der Anzeige war “M” und sollte zumindest aktuell für den kompletten Rest der Familie (mit Ausnahme meiner 5 Jährigen Tochter) passen. Gute Voraussetzungen. Zudem sollte es, wo anderen vergleichbare Anzeigen doch bei rund 300 EUR lagen, lediglich 150 EUR kosten. Da konnte ich nicht viel falsch machen. Immerhin besaß ich das ein oder andere Werkzeug um auch selber, zumindest theoretisch, die meisten Arbeiten an so einem Rad durchführen zu können. Erfahrung in diesen Dingen hatte ich allerdings keine. Eine gute Gelegenheit…

So nahm ich die Stunde Fahrt in die schöne Eifel in Kauf. Auf dem Weg dorthin brachten mich einige schöne Serpentinen die Hügel hoch und runter. Ich ärgerte mich, dass ich nicht mit dem Rad unterwegs war. Der Gedanke an “unsere” Halde in Grevenbroich brachte mich zurück auf den Boden der Tatsachen. Ich bin mit dem Auto hier.

Am Zielort angekommen konnte ich das Triban 500 in Augenschein nehmen. Optisch war es wirklich in Top Zustand. Keinerlei Kratzer oder Ähnliches zu erkennen. Der mattschwarze Alurahmen machte tatsächlich etwas her. Das Rad sah nochmal deutlich besser aus, als auf den Fotos. Also rauf aufs Rad und getestet. Die Schaltvorgänge waren durchaus sauber, die Kette hoppelte allerdings erheblich auf den großen Ritzeln. Darüber machte ich mir aber erstmal weniger Gedanken. 

Laut Verkäufer waren Kassette und Kettenblätter noch im Originalzustand. Die Kette war bereits einmal getauscht worden. Ich schob es also auf verschlissene Teile oder eine falsche Einstellung der Gangschaltung und war mir sicher, dass Problem irgendwie in den Griff zu bekommen.

Also wechselten 150 EUR und ein mattschwarzes Budget-Rennrad den Besitzer.

Einmal neu bitte!

Zu Hause angekommen wanderte das Rad auf den Montageständer. Bestandsaufnahme.
Ausgestattet ist das Rad mit einer 3×8 Schaltung von Microshift. Diese soll laut Verkäufer voll kompatibel mit den gängigen Shimano-Komponenten sein. Das werden wir vermutlich noch rausfinden, dachte ich. Von den STIs war ich positiv überrascht. Abgesehen von der etwas altmodischen Schaltzugführung liegen sie ordentlich in der Hand und schalten, soweit ich das beurteilen kann, präzise. Diese sollten also am Rad bleiben…

Zuerst begab ich mich auf die Suche nach dem Problem der “hüpfende” Kette. Ich konnte im Zustand “Kette ganz links”, also kleinstes Kettenplatt, größtes Ritzel, feststellen, dass die Kettenlinie in Richtung Kurbel nach außen verlief. Ich hatte irgendwie das Gefühl, das könnte ein Grund für die springende Kette sein. Dabei fiel mir aber auch auf, dass die Kette doch ziemlich ausgenudelt aussah. Also schnell die Kettenlehre drangehalten. Da war nichts mehr zu machen, mehr als nur zu lang.

Bei dem Zustand war klar, dass ich auch die Kassette würde tauschen müssen. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass die alte Kassette mit einer neuen Kette noch gut zusammenarbeiten würde. Verbaut war hier eine No-Name 8 Fach Kassette. Auf die Übersetzung habe ich gar nicht mehr geschaut.

Die Kurbel hatte bei genauer Betrachtung auch ordentliche Abnutzungsspuren am großen Kettenblatt. Die Zähne waren deutlich kleiner als die des kleinen Blatts. Also entschied ich, auch Kurbel samt Kettenblätter zu erneuern. Und wenn ich schon die Kurbel abmontiere, kommt es doch auf die paar Euro für das Tretlager auch nicht mehr an. Also hoffte ich, damit auch die Kettenlinie leicht korrigieren zu können.. 

Also an die Arbeit. 

Erstmal Kettennieter rausgeholt und die alte Kette runter. Da ich vermutlich eine andere Übersetzung montieren wollte, ging die Kette direkt in die Tonne. Die Länge musste ich dann sowieso neu bestimmen. Als nächstes die Laufräder raus und Kassette demontiert. Mein Anfängerblick konnte keine Achten oder ähnliches an den Laufrädern erkennen. Die Speichen schienen auch alle fest zu sein. Soweit, so gut.

Als Nächstes musste die Kurbel dran glauben. Kurbelabzieher angesetzt und los. Kein großes Problem, es musste nur mäßig Gewalt angewandt werden. Das nun freiliegende Tretlager war ein einfaches 4-Kant Patronenlager. Nachdem auch das ausgebaut war, konnte ich die Maße ablesen. 115mm Breite war zu erkennen.

Wo der Rahmen nun so „nackt“ da stand, ließ er sich natürlich super sauber machen.

Also, nächster Schritt: Putzen!

Mein Zwischenfazit: Der Rahmen sah aus wie neu. Keine Kratzer zu erkennen. 
Ich war mehr als zufrieden.

Da jetzt auch langsam die Dämmerung einsetzte, wanderte der Montageständer samt Rad in die Garage. Für mich ging es samt Laptop auf die Couch. Das Ziel: Die passenden Ersatzteile finden.
Die Kette und Kassette waren kein Problem, sind es doch Shimano Standard Produkte. Bei der Übersetzung entschied ich mich für eine 11-32T Kassette. Die Kurbel hingegen war etwas schwieriger zu finden. Ich brauchte eine 3-Fach Kurbel und wollte möglichst keinen großen Kettenschutz (Die Optik und die Jugend… ihr wisst, was ich meine). Außerdem sollte das große Kettenblatt mindestens 50 Zähne haben. Die Auswahl wurde kleiner.  Am Ende wurde es eine Tourney FC-A073 mit 50/39/30 Zähnen. Passend dazu ein neues 113mm 4-Kant Lager. Kurz hatte ich überlegt, direkt auf ein Hollowtech II zu tauschen, hatte aber bei der Suche das Gefühl, die dadurch möglichen Optionen an 3-Fach Kurbeln würden merklich schwinden.

Jetzt hieß es warten. Ganze 3 Tage. Dann klingelte der Paketdienst und es ging an den Zusammenbau. Kassette drauf, gar kein Problem. Das Tretlager brauchte etwas mehr Aufmerksamkeit. Ich hatte mehrfach das Gefühl, das Gewinde zu verkanten. Am Ende saß es aber fest und gerade. Die Kurbel war dann wieder eine schnelle und einfach Nummer. 

Nachdem die Laufräder wieder drin waren, wurde es (für mich) etwas komplizierter. Durch das größere Ritzel kam dieses der oberen Umlenkrolle des Schaltwerks deutlich zu nahe. Ich musste ein wenig suchen, um zu erkennen, dass es auch dafür eine kleine Einstellschraube gibt. Das Problem ließ sich dadurch beheben. Ohne Kette konnte ich dann auch recht gut den oberen und unteren Anschlag Des Schaltwerks einstellen. Die Kette musste aber nicht allzu lange auf den Einsatz warten. Kurz nachgelesen: Die passende Länge sollte dann gefunden sein, wenn bei kleinem Kettenblatt und kleinem Ritzel so gerade ein leichter Zug durch den Arm des Schaltwerks aufgebaut wird. Die Länge war schnell gefunden und die Kette eingefädelt. In dem Moment war ich froh, ein Kettenschloss zu haben und nicht mit dem Nietstift hantieren zu müssen. Einfacher geht es wirklich nicht…

Als letztes wurden noch neue Flaschenhalter und anfängerfreundliche Pedale mit einseitiger SPD Aufnahme angeschraubt. So können die ersten Touren mit normalen Sportschuhen gefahren werden. Besonders bei Kindern hielt ich das für eine schlaue Idee.

Eine halbe Stunde musste ich dann noch in Feineinstellung der Schaltung investieren. Das Ergebnis: Ein optisch nagelneues Rad mit sehr sauber schaltender Schaltung. Kein Quietschen, kein Schleifen. Ich war am Ende mehr als zufrieden.

In Summe hat mich das Rad ca. 280€ gekostet. Für das Ergebnis scheint das mehr als in Ordnung.

Der schwerste Teil kommt aber noch. Es muss der Funke bei der Familie überspringen.

Sollte das aber nicht klappen, habe ich immerhin einiges gelernt.

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