Durchhalden, einfach nur durchhalden

Das erste Jahr unserer ampelfreien Ausfahrten haben wir uns alle gewiss anders vorgestellt. Hätten wir im November 2019 von „Corona“ gesprochen, hätten wir bereits von unseren sommerlichen Touren 2020 entlang der Rheinpromenade geträumt, die wir mit einem kühlen mexikanischen Bier oder einem Alt am Büdchen hätten ausklingen lassen.

Mit „Kalt statt Alt“ fing es an, mit „Beinfrei vs. Flyby“ ging es in die warme Jahreszeit. Aber eben auch mit einem Virus, das uns besser ausgebremst hat als jede Felgen- oder Scheibenbremse. Seitdem hat wahrscheinlich jeder von uns einen Rollentrainer für den Fall, dass es zum Lockdown kommt. Meiner steht noch originalverpackt im Keller.

Trotz des holprigen Starts war „Strampeln ohne Ampeln“ in 2020 ein echter Erfolg. Zahlreiche Freundschaften wurden geschlossen, 29 Fahrer unterschiedlichster Altersklassen haben an den Ausfahrten teilgenommen und selbst am Coronavirus-Servicetelefon der Landeshauptstadt kennt man uns inzwischen. Es war ja auch eine Wissenschaft für sich, wer in welcher Kalenderwoche mit welchem Geschlecht, Hausstand oder Trikotfarbe zusammen fahren durfte. Könnt Ihr Euch auch noch erinnern, wie wir helmrunzelnd an zehnköpfigen Gruppen vorbeifuhren und dachten: „Die haben sich wohl nicht beim Servicetelefon erkundigt.“

Zurückblickend hatte ich das Privileg und Glück, im Februar ohne Maske eines meiner schönsten Rennrad-Trainingscamps an der Cote d’Azur zu verbringen. Schon da ahnte ich Böses und bestellte von Frankreich aus FFP-3-Masken. Meine Frau hielt mich für panisch, sagte aber nichts. Ich sollte recht behalten. Heute weiß jeder Rennradfahrer in Europa, dass Heinsberg nicht der höchste Berg Deutschlands ist. Die Apothekerin in Rosellen, bei der ich nach Karneval etwas verlegen nach einer Einwegmaske fragte, mit erhobenem Zeigefinger gen Osten zeigte und meinte „Wuhan ist nur 8495 km mit dem Rennrad entfernt.“ , würde mich heute vermutlich auch ohne Fahrradhelm immer noch erkennen. Aus zwei Wochen Pyrenäen im September wurde eine Woche Schwarzwald bei herrlichstem Sommerwetter. Meine Einwegmaske ist einem stylischen Mund-Nasen-Schutz von www.victorychimp.cc gewichen.

In meinen Taschenrechner habe ich mir eine Taste für die Berechnung des Inzidenzwertes eingebaut. Aktuell liegt mein Landkreis bei 143,7. Alles im grünen Bereich. Aber wehe, wenn die magische 200 geknackt wird. Die Vollrather Höhe in Grevenbroich, oder lieblos „Halde“ genannt, liegt Luftlinie von meinem Wohnsitz 14,24 km entfernt. Kommt der verschärfte Lockdown, darf ich die Halde nur noch 760 m rauffahren. Ein Drama! Wenigstens bliebe mir die kleine Bergwertung an der Fahneburg-/Rennbahnstraße im Grafenberger Wald.

Bei allem Spaß, den man sich in Zeiten von Corona unbedingt nicht nehmen lassen sollte:

Bleibt zusammen mit Euren Familien und Angehörigen gesund, damit wir bald wieder gemeinsam ampelfrei strampeln können. Irgendwann werden auch Rennradfahrer geimpft. Denn Rennrad und Spritzen passt irgendwie ziemlich gut zusammen. Findet Ihr nicht? Also einfach nur „durchhalden!“

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