Pyrenäen mit dem Rennrad – Etappe 9

Col du Tourmalet und der Zufall

Wenn ein Monument des Radsports bezwungen ist, startet der Akteur des Vortages zufrieden mit einem Cappuccino in den Tag. Das geschieht selbstverständlich nicht unter 1000 Meter Höhe. So wird als Ziel des Heißgetränkes „Ô Chiroulet“ im Lesponne-Tal auserkoren, ein Gasthof am Ende einer 10 km langen Sackgasse. 500 Höhenmeter sind zu überwinden.

Am Nachbartisch fachsimpeln vier französische Radsportler, wer gerade den schlechtesten Kaffee hatte. So jedenfalls meine Vermutung, denn nur die rasante Abfahrt tröstet mich über das elende Gesöff hinweg. Vermutlich wäre eine exzellente Zeit möglich gewesen. Gebremst werde ich jedoch von einem Straßenrand-Schneidegerät, auch Schmetterlingsvernichtungsmaschine genannt. Der Verkehr staut sich kurz, bis die Fahrt fortgesetzt werden kann. Das schöne an Abfahrten im Hochgebirge ist, dass die Autos langsamer sind. Alle werden ergo mit einem dankenden Kopfnicken auf zwei Rädern überholt.

Manchmal sind es Zufälle und Kleinigkeiten, die über das Schicksal der sowieso schon gescholtenen Waden entscheiden. Heute ist es zu 50 % ein sympathischer Franzose, der just in dem Moment die Kreuzung mit seinem Rad passiert, als ich das Seitental verlasse. Ich fahre ihm hinterher, überhole und gebe das Tempo vor. Er fragt, welchen Pass ich heute fahren wolle. „Pas de col aujourd‘hui“, antworte ich. In dem Moment glatt gelogen, wie sich herausstellen soll. Er lässt irgendwann abreißen. Vermutlich wären wir ein gutes Duo gewesen, denn er fuhr stark und sah drahtiger und leichter für die anstehenden Berge aus.

Sainte-Marie-de-Campan ist erreicht. Ein Foto vom Startpunkt des Col du Tourmalet für die Story vom Vortag und zurück nach Hause. Am Wegesrand diskutieren einige Gleichgesinnte aus der Region um Mainz, Alzey und Wiesbaden, wer das Foto schießen darf. Ich komme wohl gerade recht. 

„Der Mensch ist vielerlei. Aber vernünftig ist er nicht.“ (Oscar Wilde). So schieße ich das Foto für die Jungs und begleite die Gruppe ein Stück, was letztlich doch zum zweiten Mal binnen zwei Tagen am Gipfel des Col du Tourmalet mit einem Apfel und frischem Wasser aus dem Mannschaftsbus endet. Viel wichtiger ist aber der Blick in die glücklichen Gesichter eines jeden aus dem Team, der nach und nach die Passhöhe erreicht. 

Während die Jungs morgen den Col d‘Aubisque in Angriff nehmen, habe ich einen Ruhetag. Gedanklich bin ich dabei. Respekt, Jungs!

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