Bisher hatte ich eine klare Meinung zu Kopfhörern beim Rennrad fahren: Geht für mich gar nicht. Mit dem Gefühl, nicht zu hören, was um mich herum passiert, war ich mir einfach zu unsicher. Dabei wäre es für mich als Musikliebhaber doch ein Traum, bei mehrstündigen Ausfahrten alleine draußen an der Luft gute Musik genießen zu können oder auch bei fiesen Anstiegen noch etwas aufzudrehen, um das letzte Körnchen irgendwie herauszukitzeln.
Durch eine Anzeige bin ich auf die sogenannte „Bone Conduction“ Technologie aufmerksam geworden. Wer das mal in die Suchmaschine seines Vertrauens eingibt, wird unweigerlich auf die Firma „Shokz“ (ehemals AfterShokz) stoßen. Sie gilt als führend auf diesem Gebiet.
Was ist das besondere an Bone Conduction Kopfhörern?
Im Gegensatz zu den allgegenwärtigen „Noise Cancelling“ Kopfhörern, die versuchen, alle Umgebungsgeräusche auszublenden, versuchen die Bone Conduction Kopfhörer genau das Gegenteil. Die Kopfhörer sollen Musikgenuss bei gleichzeitiger, uneingeschränkter Wahrnehmung der direkten Umgebung ermöglichen. So zumindest das Werbeversprechen. Eigentlich die perfekte Idee für Sport im öffentlichen Verkehr.
Wie das funktioniert?
Es handelt sich bei Bone Conduction Kopfhörern und sogenannte Open Ear Kopfhörer. Die Ohren bleiben beim Tragen komplett frei. Stattdessen sitzen die Kopfhörer vor dem Ohr auf dem Ohrknochen. Von dort wird der Schall nicht über kleine Lautsprecher Richtung Gehörgang geschickt, sondern über die am Knochen anliegende Vibration ans Innenohr übertragen. Daher Bone Conduction- oder eben Knochenschallkopfhörer.
Nach langem hin und her – so richtig günstig sind die nun mal nicht – habe ich mich entschieden, die neuste Generation der Kopfhörer, die OpenRun Pro, zu bestellen. Die angeblich deutlich verbesserte Soundqualität hat für mich den Ausschlag gegeben, den höheren Preis im Gegensatz zum Vormodell „OpenRun“ oder dem Einsteigermodell „OpenMove“ zu zahlen.
Die Kopfhörer
Die Kopfhörer kommen ordentlich verpackt mit stabiler Aufbewahrungsbox und zwei Ladekabeln. Das ist deshalb nicht ganz unerheblich, weil Shokz auf einen eigenen magnetischen Ladeanschluss setzt und nicht etwa den USB-C Standard verwendet. Da sie aber zwei Kabel mitliefern und das Kabel zum Aufladen wirklich super sitzt, kann ich damit sehr gut leben.
Der erste Eindruck ist wirklich gut. Die Kopfhörer fühlen sich sehr wertig an. Sie sind nahezu komplett gummiert, so dass auch beim Radfahren oder Laufen nichts verrutscht. Lediglich die vorderen Teile, die auf den Knochen aufliegen, sind aus glattem Material.
Auf genau diesen Teilen befindet sich links ein Multifunktionsknopf und rechts das kleine Loch für das Mikrofon. Der Multifunktionsknopf kann wahnsinnige Dinge wie zwischen Liedern vor- und zurückspringen oder Anrufe annehmen und auflegen. Im Prinzip wie bei allen anderen Kopfhörern. Rechts hinter dem Ohr sitzen zwei weitere Knöpfe für Lauter und Leiser oder On/Off. Ich war erst etwas unsicher, ob die Bedienung auch mit Handschuhen klappt, kann aber schon mal Spoilern und Entwarnung geben: Das ganze funktioniert erstaunlich gut. An gleicher Stelle ist auch die Ladebuchse zu finden.
Vor der ersten Testfahrt muss aber aufgeladen werden. Komplett aufladen dauert eine knappe Stunde. Zusätzlich besitzen die Open Run Pro eine Schnellladefunktion. Damit soll 5-minütiges Aufladen für 1,5 Stunden Nutzungszeit reichen. Voll aufgeladen soll der Akku 10 Stunden halten, ausgereizt habe ich das noch nicht. Das ist sicherlich auch abhängig von der Lautstärke, die verwendet wird. Wenn ich aber den Akkustand, den das Smartphone für die Kopfhörer nach 3 Stunden Nutzung anzeigt, hochrechne, kann das schon ganz gut hinkommen.
Das erste Koppeln funktionierte problemlos. Seitdem steht die Verbindung und bedarf bisher keiner weiteren Aufmerksamkeit.
Der erste Soundcheck musste in der heimischen Küche gemacht werden. Es war einfach zu spät für die Straße. Meine Erwartungen an die Klangqualität waren nicht sonderlich hoch. Mir war klar, dass ich den Sound, besonders in Sachen Bass, nicht mit meinen InEar JBL Kopfhörern vergleichen durfte. Aber was soll ich sagen, ich war positiv überrascht. In den Höhen recht klar aber auch im Bassbereich völlig ausreichend. Auch wenn die Klangqualität für die audiophilen unter Euch vermutlich trotzdem eine Zumutung ist, ist das für mich völlig ausreichend.
Die Intention beim Kauf dieser Kopfhörer war eben ein völlig andere, und da kann jetzt wirklich gepunktet werden. Selbst in der heimischen Küche:
Mit dem Kopfhörer beim Kochen Musik hören und trotzdem auf jede Frage oder jede Anmerkung der Familie im Wohnzimmer antworten können? Kein Problem! Man bekommt wirklich alles mit.
Ich hatte erst gedacht, dass es eventuell durch die Vibrationen ein etwas komischen Gefühl am Ohr ist. Ist es bei normalen Lautstärken aber nicht. Erst wenn man die Lautstärke aufdreht, spürt man das Vibrieren.
Auch der zweite Bereich, in dem der OpenRun Pro punkten kann, machte sich bereits in den eigenen vier Wänden bemerkbar: der Tragekomfort. Man merkt die Kopfhörer im Prinzip nicht. Kein Schwitzen oder Jucken im Ohr, wie man es manchmal bei In Ears hat und nicht so warm wie Over Ears. Wenn die Musik mal ausgeht, vergisst man sie fast.
Der nächste Test auf dem Rad. Der erste Eindruck wurde bestätigt. Musikhören ohne den Verkehr und die Umgebung auszublenden. Genau das habe ich mir erhofft. Bei stärkerem Wind muss man vielleicht mal ein wenig die Lautstärke erhöhen, an die Grenze bin ich bisher, auch bei 40 km/h (Ja, bergab, bevor noch jemand fragt…), noch nicht gekommen. Selbst das Telefonieren klappt erstaunlich gut. Hier empfiehlt es sich aber langsamer zu fahren oder doch eben anzuhalten. Das erhöht die Sprachqualität deutlich.
Insgesamt haben die Kopfhörer meine Erwartung vollumfänglich erfüllt. Sie ermöglichen mir nun beim Rennrad fahren Musik zu hören. Bis vor ein paar Wochen für mich kaum denkbar.
Gibt es auch was Negatives: Ganz klar der Preis. Stand April 2022 muss man für die OpenRun Pro satte 189 EUR hinblättern. Das ist wirklich ein Wort, wo es doch mittlerweile günstigere Alternativen auf dem Markt gibt. Ob diese an die Soundqualität der OpenRun Pro herankommen, kann ich nicht beurteilen.
Wer weitere technische Details benötigt, findet diese auf der offiziellen Seite von Shokz.