„Colneval“ in Nizza – 1 Woche Trainingslager

Die einen feiern Karneval im Rheinland, Strampeln ohne Ampeln feiert Karneval in Nizza. Und der wird an der Cote d‘Azur regelrecht zelebriert. Da ich aber zum Radfahren hier unten bin, beschränke ich das Karnevalistische später auf ein paar Fotos und widme mich dem Sportlichen, dem „Colneval.“ Unweit von Nizza finden sich zahllose „Cols“, die sich herrlich kombinieren lassen.
An Tag 1 fahre ich eine Aufwärmrunde über den Col de Chateauneuf (620 m) mit vorherigem Abstecher in das Bergdorf Peillon. 14 Grad sind weder Fisch noch Fleisch. Also teste ich in einem Rutsch, was ich anziehen muss, denn die nächsten Tage werden ähnlich.

Frühlingshafte Temperaturen mit Sonne pur! Gut gerüstet für das Training im Hinterland von Nizza ist auch der französische Straßenmeister und Tour de France -Teilnehmer Warren Barguil, der am Col de Chateauneuf an mir mit einem aufmunternden „Allez!“ vorbeizieht. Das Hinterrad halte ich nicht lange. Energie sparen! Die Touren werden in den kommenden Tagen sicherlich nicht leichter. Aber ein kleines Highlight ist damit bereits eingetütet. 

„Colneval“ in Nizza – Tag 2 
Col Saint Roch & Col de la Porte 

Zeit für den ersten Tausender. Der Col de la Porte bringt es auf stolze 1057 Meter.
Bedenkt man, dass die Tour auf Höhe des Meeresspiegels beginnt, verdient der Pass gleich etwas mehr Respekt. Den Col Saint Roch passiert man kurz zuvor und merkt es kaum. Schilder mit Aufklebern, wie man sie an den legendären Pässen findet, sucht man hier vergeblich. Lediglich kleine Holzschilder zeigen an, dass die Passhöhen erreicht sind. Auf dem gesamten Anstieg ab dem Weiler Bendejun begegne ich keinem Auto, was sich auf der schönen Abfahrt, die wie alle Abfahrten höchste Konzentration fordert, fortsetzt. In Lantosque erreiche ich das Tal des Vesubie, das ich schon mehrmals in umgekehrter Richtung befahren habe. Nun führt mich die Straße zurück nach Nizza, meiner Basis.

„Colneval“ in Nizza – Tag 3
Col d‘Aspremont & die Bonson-Gilette-Runde

Weil es morgens bis 10 Uhr recht frisch ist, besorge ich mir Beinlinge. Feine Sache. Sie liefern mir heute hervorragende Dienste und die kurze Trägerhose kommt auch endlich zum Zug. Der Col d‘Aspremont mit knapp über 600 m ist die erste Herausforderung kurz hinter Nizza. Belohnung ist ein toller Ausblick ins Var-Tal, das ich nach einer herrlichen Abfahrt Richtung Norden durchfahre. Es folgt die Runde Bonson-Gilette. Zwei Bergnester, spektakulär zwischen die Felsen gebaut. Ein absolutes Muss mit einem gleichmäßigen Anstieg und einer sicheren Abfahrt. Auf der anderen Seite des Var-Tals klettere ich ab Le Broc über Carros bis La Gaude. Überraschungsbesuch und Mittagessen bei Konstanze und Jean-Luc in ihrem hübschen Hotel „Mon Soleil.“ Apropos Sonne: Die schien den ganzen Tag. Der platte Reifen hinter Bonson ist schon fast vergessen.

„Colneval“ in Nizza – Tag 4
Zwischen Nizza und Monaco

Blick auf Villefranche-sur-Mer

Die „Corniches“ zwischen Nizza und Monaco, drei an der Zahl, zählen zu den spektakulärsten Küstenstraßen der Welt und lassen sich beliebig kombinieren. Heute auf dem Zettel: Die Untere („Basse Corniche“) und die Mittlere („Moyenne Corniche“). Die „Grand Corniche“ mit dem Col d‘Eze stand bereits letztes Jahr auf dem Tourenplan. Ergänzt wird das Ganze mit einem Abstecher zum Cap Ferrat, bekannt etwa durch die Villa von Angelina Jolie und Brad Pitt – aus besseren Tagen. 

Eine sehenswerte Bucht reiht sich an die nächste, eine Villa folgt der anderen und hier und da überholen einen Ferrari, Maserati oder Bentley. Zurück in Nizza steht der Nachmittag im Zeichen der Regeneration. Zeit für ein paar Schnappschüsse.

„Colneval“ in Nizza – Tag 5
Lauter Mimosen

Welcher Rennradfahrer träumt nicht von einer Fahrt in Gelb? Heute darf ich es erleben, aber nicht im berühmten Trikot, sondern im Hinterland von Mandelieu-La Napoule. Mir wurde ein Geheimtipp anvertraut: „Fahre rauf nach Tanneron.“ Also sitze ich um 9 Uhr morgens auf dem Rad und fahre den perfekt ausgebauten Küstenradweg (Die Düsseldorfer Promenade könnte sich mal eine Scheibe davon abschneiden!) mit Blick auf das azurblaue Meer. Über Antibes und Cannes erreiche ich Mandelieu, das sich Hauptstadt der Mimosen nennt.

Im Anstieg nach Tanneron, der gleichmäßig und nicht zu steil ist, passiere ich einige Villen, ehe die gelben Sträucher und Bäume der Mimosen zunehmen, bis sie in einem gelben Farbenmeer gipfeln. Zweifellos eine der schönsten Ausfahrten aller Zeiten. Über Grasse und Vence im hügeligen Hinterland erreiche ich schließlich über eine lange Abfahrt in Cagnes sur Mer wieder das Mittelmeer. Grandios! 

„Colneval“ in Nizza – Tag 6
Col d’Eze mit Geraint Thomas, Tour de France Sieger 2018

Nach den gestrigen 140 km ist am letzten Trainingstag nur eine kurze Ausfahrt geplant. Ich beginne mit dem Anstieg zum Mont Boron (191 m), der direkt an der Küste zwischen Nizza und Villefranche sur Mer liegt. Es bietet sich von dort eine schöne Aussicht über die Dächer von Nizza. Die Abfahrt mündet in die mittlere Corniche, auf der unmittelbar vor mir zwei weitere Rennradfahrer unterwegs sind. Der rechte ist Geraint Thomas, Tour de France Sieger 2018. Ich traue meinen Augen nicht. Er ist es mit seinem personalisierten Trikot. Mit seinem Trainingspartner biegt er an der nächsten Kreuzung in eine kurze Abfahrt zur Grande Corniche ab, von wo dann der nicht ganz 10 Kilometer lange Anstieg zum Col d’Eze (507 m) beginnt.  

Die beiden fahren plaudernd moderates Tempo, so dass ich meine Pläne kurzerhand über den Haufen werfe und im Anstieg versuche, die Lücke von knapp 50 Metern zu schließen. 
Es gelingt mir tatsächlich. Ich hefte mich an die Hinterräder der beiden und kann mein Glück kaum fassen. „Hey guys“, grüße ich artig, sehe mich aber nicht in der Position, am Schwätzchen teilzunehmen. Klar, im Nachhinein hätte ich auch einen Trikottausch vorschlagen können, aber erstens wäre dessen Trikot wahrscheinlich eine Nummer zu klein gewesen und zweitens hänge ich echt an dem Trikot, das ich trage. Frech überhole ich in einer etwas flacheren Passage, fahre aber respektvoll nur ein paar Meter vor den Jungs. Einmal „Tempomacher“ für einen Tour de France Sieger sein. Ist es zu fassen!? Die folgende Abfahrt rollen wir auch noch gemeinsam, ehe sich die Wege an der mittleren Corniche bei Eze trennen. Völlig euphorisch ignoriere ich meine müden Beine und mute diesen auch noch den Mont Chauve 
(854 m) nördlich von Nizza zu. Das Lächeln auf den Lippen verliere ich an diesem Schlusstag aber nicht mehr.

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